Keine Personalfluktuation in Indien in 10 Jahren: Das Erfolgsgeheimnis eines deutschen IT-Unternehmens

 

Das deutsche IT-Unternehmen Optanium Group ist seit zehn Jahren in Indien tätig und hat noch keinen einzigen Mitarbeiter verloren. In einem Land mit hoher Personalfluktuationen ist das etwas ganz Besonderes. In diesem Artikel verrät der Geschäftsführer Marcel Nebel sein Erfolgsgeheimnis.

Geschäftsführer Marcel Nebel und ein Teil seines indischen Teams

Marcel Nebel, Gründer und Geschäftsführer der Optanium Group

Als Deutscher ein eigenes Unternehmen in Indien zu gründen und erfolgreich zu leiten, ist kein einfaches Unterfangen. Im Gespräch mit IndiaConnected verrät Marcel Nebel seine 4 wichtigsten Tipps für ein erfolgreiches deutsch-indisches Unternehmen.

1. Die Gründung einer Private Limited in Indien kostet Zeit

Marcel Nebel arbeitete seit rund sieben Jahren für ein indisches Beratungsunternehmen, als er ein attraktives Angebot von einem deutschen Unternehmen erhielt: „Sie baten mich, CRM-Systeme und andere Vertriebs- und Marketing-IT-Lösungen für deutsche Mittelständler zu entwickeln. Aufgrund meiner Berufserfahrung war für mich sofort klar: ohne ein gutes Team indischer Softwareentwickler wäre dies unmöglich. Obwohl ich für ein indisches Unternehmen arbeitete, hatte ich keine Ahnung, wie ich dort eine Private Limited (Gesellschaft mit beschränkter Haftung) gründen sollte.“

Als Erstes suchte Marcel Nebel nach einem geeigneten Buchhalter, der ihn durch den Prozess begleiten sollte. Er erzählt: „Ich hatte großes Glück, denn ich habe einfach gegoogelt und so meinen Buchhalter gefunden. Beim ersten Treffen stellte ich sofort klar, dass ich meine Gesellschaft mit beschränkter Haftung völlig sauber, ohne Bestechungsgelder zu zahlen, starten möchte. Der Buchhalter schätzte diesen Ansatz sehr und das war für mich auch die Bestätigung, dass ich mit einem guten Unternehmen zusammenarbeite.“

Die Gründung eines Unternehmens in Indien kann lange dauern. Nebels Buchhalter musste den Überblick behalten, um das Ganze nicht zu sehr zu verzögern. „Der Prozess dauerte insgesamt 13 Monate. Mein Buchhalter musste mehrere Besuche absolvieren, um sicherzustellen, dass bestimmte Dokumente nicht ununterschrieben auf dem Stapel der Verantwortlichen liegenbleiben“, so Marcel Nebel über seine Erfahrung. „Glücklicherweise sieht das indische Recht Fristen für die Genehmigung bestimmter Dokumente vor. Gibt die Behörde bis zum Ablauf dieser Frist keine Freigabe, gilt das Dokument automatisch als genehmigt. Das hat uns ein paar Mal geholfen.“

2. Beziehen Sie die Familien Ihrer Mitarbeiter in das Unternehmen ein

Glücklicherweise musste Marcus Nebel nicht 13 Monate warten, um mit seiner Geschäftstätigkeit zu beginnen. „Nachdem wir die Private Limited registriert und unsere PAN-Nummer erhalten hatten, konnte es direkt losgehen“, erinnert sich Nebel. Unter seinen ehemaligen Kollegen fand er sofort fünf Software-Ingenieure, die gemeinsam mit ihm ein deutsch-indisches Start-up gründen wollten.

Nebel erklärt die Philosophie hinter dem Unternehmen: „Wir arbeiteten gemeinsam an einem Umfeld, in dem eine gute Balance zwischen deutscher und indischer Unternehmenskultur herrschte. Unser Indien-Team besteht mittlerweile aus 20 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und wir nutzen ein sogenanntes Kompetenzmodell, das hauptsächlich europäische Elemente enthält. Wir betrachten verschiedene Fähigkeiten wie das Schreiben von Software und das Präsentieren ihrer Ideen, aber auch die Art und Weise, wie das Team Veränderungen am Arbeitsplatz umsetzt. Alle sechs Monate führen wir eine Evaluierung durch und prüfen Schulungsmöglichkeiten für die Kompetenzen, die wir stärken möchten. Es gibt auch Raum für persönliche Ziele, was sehr motivierend ist.“

Wir haben die richtige Mischung aus einer offenen europäischen Arbeitsatmosphäre ohne Mikromanagement und einem herzlichen indischen Familiengefühl gefunden.
— Marcel Nebel, Gründer und Geschäftsführer der Optanium Group

Außerdem wird alle drei bis sechs Monate ein Teamausflug organisiert. „Das ist eher ein indisches Element“, erklärt Nebel. „In Indien gibt es keine so strikte Trennung zwischen Arbeit und Privatleben und die Kollegen dort sehen sich wie eine zweite Familie. Deshalb gehen wir regelmäßig gemeinsam essen oder machen etwas Aktives, zum Beispiel Klettern in einem Abenteuerpark.“

Auch die Familien der Optanium-Mitarbeiter sind beteiligt. „Das ist einer meiner wichtigsten Tipps für internationale Unternehmer in Indien: Binden Sie die Familien Ihrer Mitarbeiter in das Unternehmen ein. Laden Sie sie zu Firmenfeiern ein und lehnen Sie Einladungen zu Hausbesuchen Ihrer Mitarbeiter niemals ab. Das ist für den Aufbau eines guten Vertrauensverhältnisses sehr wichtig“, erklärt Marcel Nebel.

Der Firmenchef ist mit der Firmenkultur rundum zufrieden: „Unsere Mitarbeiter fühlen sich so frei, dass sie ihre Meinung äußern oder eigene Initiativen starten. Sie würden sich kaum in einer anderen Umgebung wiederfinden. Und das würden wir auch nicht wollen!“

3. Ziehen Sie eine harte Linie, die Klarheit und Vertrauen schafft

Laut Marcus Nebel ist dieses Vertrauensverhältnis einer der Gründe dafür, dass Optanium nicht mit Personalfluktuationen zu kämpfen hatte. „Vom ersten Moment an habe ich für eine offene und respektvolle Atmosphäre am Arbeitsplatz gesorgt. Kein Mikromanagement oder hierarchische Beziehungen. Alle im Team sind gleich“, so der Firmenchef.

Darüber hinaus besteht das Team in Indien zur Hälfte aus Frauen. Ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den Geschlechtern am Arbeitsplatz habe für ihn Priorität. Nur einmal musste Nebel sich von einem Mitarbeiter trennen, weil die Konstellation nicht passte: „Dieser Entwickler arbeitete unter einer weiblichen Managerin und ignorierte ständig die Aufgaben, die sie ihm gab. Nach einem klärenden Gespräch versprach er, seine Einstellung zu ändern, was aber nicht geschah. Wir haben uns dann von ihm getrennt.“

Das Team würde diese hart gezogene Linie sehr schätzen, denn sie zeige, dass im Unternehmen wirklich alle gleich seien. Seitdem habe es nie wieder einen solchen Vorfall gegeben.

Eine Partie Tischfußball im indischen Büro der Optanium Group

Um Mitarbeiter zu finden, die zu dieser Arbeitskultur passen, verlässt sich Optanium stark auf sein Netzwerk. „Jeder, den wir durch Empfehlungen gefunden haben, hat bisher perfekt zum Unternehmen gepasst. Wir beschränken uns selbstverständlich nicht nur auf Bekannte von Bekannten“, so der Firmenchef.

Allerdings sind Nebel und sein Team bei Bewerbern in Indien ohne Empfehlungen etwas vorsichtiger geworden. Er berichtet von zwei verrückten Situationen, die er erlebt hat: „In einem Fall hat uns ein Bewerber in den ersten Vorstellungsgesprächen per Videoanruf in die Irre geführt. Er ließ jemanden im Hintergrund sprechen, während er vor der Kamera die Lippenbewegung nachmachte. In einem anderen Fall engagiert ein Kandidat eine Drittperson, die den gesamten Bewerbungsprozess durchlief, und er selbst erschien erst am ersten Arbeitstag.“

Deshalb habe das Unternehmen strenge Identifikationsregeln eingeführt. So würden jetzt während der Videoanrufe Screenshots gemacht, die mit der Person verglichen würden, die zum persönlichen Treffen kommt und am ersten Tag im Büro erscheint. Außerdem werde der Reisepass gründlich geprüft, um sicherzustellen, dass die richtige Person im Büro sitze.

4. Nehmen Sie sich Zeit, um Ihre Nische zu finden

Optanium konzentriert sich vorerst hauptsächlich auf den deutschen und nicht den indischen Markt. „Unsere Lösungen sind sehr individuell und für Indien derzeit zu hochtechnologisch und zu teuer“, erklärt Nebel. „Wir haben noch nicht viele allgemeine Produkte im Angebot, die jedes Unternehmen kaufen und implementieren könnte.“

Das Unternehmen entwickelt spezielle Systeme nach den Wünschen der Kunden. Für Indien musste es zunächst eine gute Nische finden, um ein vereinfachtes CRM-System zu erstellen, das für E-Commerce-Plattformen in ganz Indien anwendbar ist.

Das indische Team von Optanium sah kürzlich die Gelegenheit, um ein speziell indisches Produkt zu entwickeln. Marcel Nebel erzählt: „Wir arbeiteten an einer speziellen Website-Besucheridentifizierungssoftware für den europäischen Markt. Mein Team wollte eine einfache Version davon für Indien entwickeln. Aber wir sind derzeit nicht in der Lage, ein solches Produkt auf dem indischen Markt flächendeckend zu vermarkten. Wir werden uns vorerst weiterhin auf den deutschen Markt konzentrieren, sind aber weiterhin auf der Suche nach interessanten Möglichkeiten in Indien.“

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